Einleitung: Wenn Routine zur Revolution wird
In einer Montagelinie eines mittelständischen Maschinenbauers herrschte Dauerchaos. Jeder Mitarbeitende hatte „seinen“ Weg – und alle waren überzeugt, es richtig zu machen. Das Ergebnis: Schwankende Qualität, Nacharbeit, Diskussionen, Frust.
Erst als das Team beschloss, den besten gemeinsamen Weg zu definieren, änderte sich alles.
Sie dokumentierten den optimalen Ablauf Schritt für Schritt, visualisierten ihn direkt am Arbeitsplatz – und plötzlich lief die Linie ruhiger, effizienter, fehlerfrei.
Das war kein Zufall, sondern das Ergebnis von Standardisierung – dem vielleicht meist unterschätzten Prinzip im Lean Management.
1. Was bedeutet Standardisierung wirklich?
In Lean ist ein Standard kein starrer Regelkatalog, sondern der beste bekannte Weg, eine Arbeit aktuell auszuführen. Oder anders ausgedrückt: "Jeder macht was er will, aber keiner macht was er soll"
Ein Standard ist also das Ergebnis von einem Lern - und Verbesserungsprozess..
Taiichi Ohno sagte es klar:
“Without standards, there can be no improvement.”
Ein Standard definiert:
- Was getan wird (Inhalt)
- Wie es getan wird (Methode)
- Warum es so getan wird (Ziel)
Und das Entscheidende:
Ein Standard ist nicht für die Ewigkeit, sondern ein Momentaufnahme des besten Zustands heute – bis jemand eine bessere Lösung findet.
2. Warum Standardisierung unverzichtbar ist
1. Stabilität und Reproduzierbarkeit
Ohne Standards arbeitet jeder anders – Ergebnisse schwanken, Qualität leidet.
Standards schaffen Stabilität: Der Prozess wird wiederholbar, verlässlich und messbar.
2. Qualitätssicherung
Erst wenn klar ist, was normal ist, kann man Abweichungen erkennen.
Standards verhindern Fehler, bevor sie entstehen – sie sind die Basis für Null-Fehler-Kultur.
3. Effizienz und Zeitgewinn
Wenn alle wissen, wie der beste Weg aussieht, entfallen Suchzeiten, Missverständnisse und Doppelarbeit.
Standardisierung ist die DNA der Effizienz.
4. Schnelle Einarbeitung
Visuelle Standards machen Wissen übertragbar.
Neue Mitarbeitende lernen in Tagen, was früher Wochen dauerte.
5. Plattform für Verbesserung
Kaizen ohne Standard ist wie Segeln ohne Kurs.
Standards machen Abweichungen sichtbar – und damit Verbesserung möglich.
Merke:
Stabilität ist keine Bremse – sie ist der Anker, der echte Veränderung ermöglicht.
3. Wie man exzellente Standards erstellt
1. Gemba first – Standards entstehen am Ort des Geschehens
Nicht im Büro, sondern mit den Menschen, die die Arbeit tun.
Nur sie kennen die realen Herausforderungen.
2. Keep it visual
Ein Standard, der nicht innerhalb von 30 Sekunden verstanden wird, ist kein guter Standard.
Fotos, Symbole, QR-Codes, kurze Videos – visuelle Kommunikation wirkt.
3. Beteiligung schafft Akzeptanz
Standards müssen gemeinsam entwickelt werden.
Wer beteiligt ist, hält sich auch daran.
4. Versionierung & Kaizen
Jeder Standard ist lebendig: mit Version, Datum, Ersteller und Ziel.
Das schafft Transparenz und Lernkultur.
5. Auditieren heißt Lernen, nicht kontrollieren
Frage nicht: „Wer hat sich nicht an den Standard gehalten?“,
sondern: „Was hindert dich daran, nach Standard zu arbeiten?“
4. Fünf übergeordnete Standards – das große Gerüst
- ISO 9001 – Qualitätsmanagementsysteme
Grundlage für systematisches Qualitätsmanagement und kontinuierliche Verbesserung. - ISO 14001 – Umweltmanagement
Schafft Struktur für nachhaltige, ressourcenschonende Prozesse. - IATF 16949 – Automotive Quality
Spezifische Anforderungen der Automobilindustrie – Prozessdisziplin auf höchstem Niveau. - Lean Manufacturing Principles
5S, Kanban, SMED, TPM – Methodenstandards, die Effizienz und Fluss sicherstellen. - ISO 45001 – Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Standard für sicheres Arbeiten und Prävention von Risiken.
5. Fünf innerbetriebliche Standards – die Praxis im Unternehmen
- Standardarbeitsblatt
Der Kern jedes Lean-Prozesses: klare, visuelle Arbeitsanweisungen. - 5S-Standard
Ordnung, Sauberkeit und Struktur – sichtbar und überprüfbar. - Rüststandard (SMED)
Vorgehensweise zur Reduktion von Stillstand und Verschwendung. - Qualitätsprüfstandard
Legt fest, wann, wie und durch wen Qualitätsmerkmale geprüft werden. - Kommunikationsstandard (z. B. Shopfloor-Meeting)
Regelmäßige, strukturierte Informationsweitergabe – kurz, visuell, ergebnisorientiert.
6. Typische Fehler bei der Standardisierung
Viele Unternehmen scheitern – nicht an der Idee, sondern an der Umsetzung.
Fehler | Auswirkung |
Top-down-Ansatz | Mitarbeitende fühlen sich bevormundet, Standards werden ignoriert. |
Zu komplexe Dokumente | Niemand liest oder versteht sie. |
Fehlende Aktualisierung | Standards veralten, Glaubwürdigkeit sinkt. |
Kontrolle statt Lernen | Angstkultur statt Verbesserungsdenken. |
| „Standardflut“ | Zu viele Regeln, zu wenig Fokus. |
FAQ
Verhindern Standards nicht Kreativität?
Nein. Standards schaffen die Baseline, auf der verbessert wird. Kaizen = Standard heben, nicht umgehen.Unterscheidung: Standard Work vs. Arbeitsanweisung?
Standard Work definiert Sequenz, Takt/Zeit und Bestand am Arbeitsplatz; Arbeitsanweisungen beschreiben Details der Durchführung. Beides gehört zusammen.Wie oft sollte man Standards aktualisieren?
Immer nach bestätigtem Verbesserungsergebnis (PDCA). Versionierung + Schulungsnachweis sind Pflicht.Wie beginne ich in einer heterogenen Mehrproduktlinie?
Starte mit der Haupt-Runner-Familie, definiere ein Referenzlayout, dann Varianten ableiten. (Prinzip: erst Stabilität, dann Breite.)Was sind die Top-Benefits in Zahlen?
Typisch: schnellere Einarbeitung, weniger Fehler, mehr Output. Praxiserfahrungen berichten z. B. +15 % Tagesoutput nach SOP-Standardisierung.Welche Rolle spielt Sicherheit?
Standard Work minimiert Risiken durch festgelegte sichere Bewegungen/Griffe – Sicherheit ist integraler Bestandteil des Standards, nicht Add-on.Wie hängen Standards und 5S zusammen?
Standards stützen 5S (Ordnung sichtbar halten) – und 5S macht Standards sichtbar. Beides bedingt sich.Warum scheitern Standardisierungsinitiativen oft?
Zu komplexe Dokus, fehlende Einbindung der Ausführenden, nicht im Arbeitsfluss verankert, keine Aktualisierung.Interne vs. externe Audits – was bringen die?
Interne Audits finden Lücken proaktiv; externe schaffen Glaubwürdigkeit und Marktanforderung. Beide treiben die Wirksamkeit des Systems.Ist Standardisierung nur für Produktion relevant?
Nein. Auch Logistik, Instandhaltung, Labor, Office & IT profitieren – überall, wo sich repetitive Arbeit in Qualität, Zeit und Kosten messen lässt.
Über den Autor
Volker Rozek ist Experte für Lean Management und Qualitätsmanagement mit über 30 Jahren Praxiserfahrung in der Industrie.
Als Berater, Trainer und Speaker unterstützt er Unternehmen "hands on" dabei, Verschwendung zu eliminieren, Prozesse effizienter zu gestalten und eine nachhaltige Verbesserungskultur zu etablieren.
Sein Ansatz: Lean Management praxisnah, verständlich und mit einem Augenzwinkern vermitteln – damit es nicht nur Theorie bleibt, sondern im Alltag wirkt.
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