Warum Lean-Management-Projekte oft trotz guter Planung scheitern – und wie Sie die menschliche Seite der Veränderung meistern. Praxisnah, verständlich und mit erprobten Tipps für Führungskräfte.
1. Einleitung: Das Paradox der Lean-Misserfolge
Lean-Management gilt als einer der effektivsten Ansätze, um Verschwendung zu reduzieren, Effizienz zu steigern und Qualität zu verbessern. Die Methoden sind gut dokumentiert, die Werkzeuge vielfach erprobt, die Erfolgsgeschichten aus Japan und der Automobilindustrie legendär.
Und trotzdem: Studien zeigen, dass über 60 % aller Lean-Transformationen nicht den erhofften Durchbruch bringen.
Warum? Nicht, weil die Wertstromanalyse falsch durchgeführt oder das Kanban-Board schief aufgehängt wurde.
Sondern, weil wir die menschliche Seite der Veränderung unterschätzen.
Und, ja - es macht nach wie vor Sinn, sich mit den Methoden der schlanken Prouktion intensiv zu beschäftigen. Die entsprechenden Erklärungen und Gründe dazu können sie in meinem Beitrag - Warum Lean nicht tot ist – sondern jetzt wichtiger denn je - nachlesen.
2. Die Illusion: Lean ist nur eine Methode
Viele Unternehmen starten ihre Lean-Initiative mit einem klaren Methodenset: 5S, Kaizen, Kanban, SMED, Poka Yoke. Diese Tools sind wichtig – keine Frage. Aber Lean ist mehr als eine Werkzeugkiste.
Lean ist eine Haltung: kontinuierliche Verbesserung, Respekt für Menschen, Fokus auf Kundennutzen.
Lean erfordert Führungsstiländerung: vom Anordnen zum Ermöglichen.
Lean verändert Kultur: weg von Silos, hin zu Transparenz und Offenheit.
Wer Lean nur als Methode betrachtet, betreibt „Lean-Mechanik“ – und scheitert, sobald der erste Widerstand auftaucht.
3. Widerstand in drei Ebenen
Veränderung ruft fast immer Widerstand hervor. In Lean-Projekten zeigt sich dieser auf drei Ebenen:
3.1. Kognitiver Widerstand – „Ich verstehe nicht, warum wir das tun“
Mitarbeiter wissen oft nicht, warum Lean eingeführt wird.
Fehlende Transparenz und unklare Ziele führen zu Misstrauen.
Beispiel: Ein Fertigungsmitarbeiter erfährt, dass „Bestände reduziert“ werden sollen – und befürchtet, dass dies nur der erste Schritt zu Personalabbau ist.
3.2. Emotionaler Widerstand – „Ich will das nicht“
Selbst wenn die Fakten klar sind, können Emotionen blockieren.
Angst vor Kontrollverlust, Sorge um die eigene Rolle, Skepsis gegenüber neuen Arbeitsweisen – all das kann Begeisterung verhindern.
3.3. Verhaltensebene – „Ich tue so, als würde ich mitmachen“
Manchmal nicken alle in Meetings zustimmend – und machen danach weiter wie bisher.
Diese passive Sabotage ist schwer zu erkennen, aber brandgefährlich.
4. Führungsfehler, die Lean-Initiativen torpedieren
Selbst gute Methoden scheitern, wenn Führungskräfte diese Fehler machen:
Zu schneller Rollout: Lean wird in zu vielen Bereichen gleichzeitig eingeführt, ohne genügend Ressourcen.
Fehlende Vorbildrolle: Führung predigt Lean, lebt es aber selbst nicht.
Mangelnde Konsequenz: In der Krise wird Lean über Bord geworfen und alte Muster kehren zurück.
Top-down-Ansatz ohne Beteiligung: Entscheidungen werden ohne Einbindung der Mitarbeiter getroffen.
Fokus nur auf KPIs: Menschen werden zu Kennzahlen statt zu Partnern in der Verbesserung.
5. Lean-Kultur statt Lean-Toolbox
Ein Kanban-Board macht kein Lean.
Was Lean erfolgreich macht, ist Kultur – geprägt von:
Respekt: Jeder Mitarbeiter ist Problemlöser, nicht nur Ausführer.
Offene Kommunikation: Fehler werden als Lernchance gesehen.
Kontinuierliche Verbesserung: Kaizen ist tägliche Praxis, nicht Quartalsprojekt.
Führung als Coach: Vorgesetzte fragen „Wie kann ich helfen?“ statt „Warum hast du das nicht geschafft?“
Über eine zielführende Methode, mit der Sie als Führungskraft zum Coach Ihrer Mitarbeiter werden und dabei
- für sich Zeit gewinnen und die
- Problemslösungsfähigkeiten Ihres Teams signifikant verbessern
erkläre ich in meinem Blog: Mit der Leankata führen und Wissen schaffen
6. Praxis-Tipps für die Umsetzung
6.1. Stakeholder-Analyse durchführen
Ermitteln Sie, wer die Veränderung unterstützen könnte – und wer nicht. Planen Sie Kommunikations- und Unterstützungsmaßnahmen gezielt.
6.2. Kommunikationsplan entwickeln
Nicht nur was verändert wird, sondern auch warum. Nutzen Sie Storytelling statt PowerPoint-Schlachten.
6.3. Quick Wins setzen
Frühe, sichtbare Erfolge bauen Vertrauen auf. Beispiel: Ein 5S-Projekt, das innerhalb einer Woche spürbare Erleichterung im Arbeitsalltag bringt.
6.4. Erfolge feiern
Lean kann anstrengend sein. Kleine Siegesmomente halten Motivation hoch.
6.5. Führungskräfte trainieren
Lean Leadership ist kein Naturtalent – es muss gelernt und geübt werden.
7. Fazit: Lean lebt von Menschen – nicht von Excel
Lean-Transformationen scheitern selten an den Tools. Sie scheitern an fehlender Kommunikation, mangelndem Vertrauen und unzureichender Führung.
Wer Lean nachhaltig will, muss Menschen gewinnen – nicht nur Prozesse optimieren.
Wie Sie Lean langfristig in Ihrer Organisation verankern, lesen Sie hier: Lean-Management langfristig erfolgreich verankern
8. FAQ zum Thema
1. Was ist der häufigste Grund für das Scheitern von Lean?
Fehlende Berücksichtigung der menschlichen Seite der Veränderung.
2. Wie kann man Widerstand früh erkennen?
Durch offene Kommunikation, Feedbackrunden und Beobachtung des Verhaltens im Alltag.
3. Ist Lean nur für die Produktion geeignet?
Nein. Lean-Prinzipien funktionieren auch in Verwaltung, IT, Dienstleistung und Healthcare.
4. Wie lange dauert eine Lean-Transformation?
Das hängt von Größe und Reifegrad der Organisation ab – oft mehrere Jahre.
5. Können kleine Unternehmen Lean einführen?
Ja, oft sogar schneller und flexibler als Großkonzerne.
6. Welche Rolle spielt die Führung?
Eine entscheidende. Führungskräfte müssen Lean vorleben und fördern.
7. Braucht man externe Berater?
Nicht zwingend, aber externe Perspektiven können helfen, Betriebsblindheit zu vermeiden.
8. Wie misst man den Erfolg?
Neben klassischen KPIs auch Mitarbeiterzufriedenheit, Prozessstabilität und Innovationsrate betrachten.
9. Kann Lean auch scheitern, wenn die Kultur passt?
Ja, z. B. durch unrealistische Ziele oder fehlende Ressourcen.
10. Wie startet man am besten?
Mit einem Pilotprojekt, klaren Zielen und starker Kommunikation.
Über den Autor:
Volker Rozek ist freiberuflicher Prozessoptimierer und Lean-Berater mit über 30 Jahren Erfahrung in der Automobilzulieferindustrie. Heute hilft er mittelständischen Unternehmen dabei, mit schlanken Prozessen Kosten zu senken, Fachkräfte zu entlasten und zukunftsfähig zu bleiben. Kicken Sie sich gerne durch seine Website, wenn Sie mehr über seine Arbeit erfahren möchten.
Ihre Lean-Initiative steht am Start oder steckt fest?
Lassen Sie uns sprechen. In einem 30-minütigen Strategiegespräch klären wir, wie Sie Ihre Mitarbeiter mitnehmen und echte Verbesserungen erzielen.